Marathon, super lange Radtouren über 200 oder 300km oder einfach nur Pause machen – so oder ähnlich sieht der Zwiespalt im Kopf eines „normalen“ Triathleten am Ende einer Saison aus wenn die letzten Wettkämpfe im August oder September anstanden. Wenn man das alles aber schon mal gemacht hat, was dann? Genau diese Frage stellte sich mir im Sommer diesen Jahres. Man muss schließlich langfristig planen 😉
Im Hinterkopf spukt mir dabei schon lange die Idee eines 100km Laufs durch den Kopf. Also nicht in einer Woche oder mehrere Tage, sondern an einem Stück. Aber was für eine Strecke? Was wäre ein „sinnvolles“ Ziel, das eine gewisse Faszination und Motivation unterwegs ausstrahlt. Also mal auf der Karte geschaut was es rings um die Heimat passendes gibt. Da fiel der höchste Punkt in der Umgebung ins Auge. Der legendäre Keulenberg bei Oberlichtenau/Pulsnitz. Schon viele epische Schlachten im Rahmen von Trainings oder dem Sommerlauf wurden da ausgefochten. Und auch selbst durfte ich die eine oder andere Schweißperle an diesem Anstieg bereits vergießen. Also ging es kurzerhand daran eine Strecke zu planen. Nicht direkt am Asphaltband entlang, sondern durch die Wälder und über Felder sollte es gehen. Am Ende standen 70km im Planungstool, was für die erste Distanz über dem Marathon auch erstmal ein gutes Stück Strecke ist. Da ich mit meinem Kumpel Peter Lehmann fast immer einen „Verrückten“ an der Seite habe, der auch immer mal wieder Lust auf neue sportliche Herausforderungen und kleinere Abenteuer hat, war die Suche nach einem Mitstreiter auch nicht so schwierig. Wir machten uns dann einen passenden Termin aus und dann ruhte die Geschichte erstmal etwas. So etwa 3 Wochen vorher kam es dann doch wieder bei mir persönlich auf und ich begann mit etwas Paniktraining. Möglichst viele Kilometer sammeln und den Körper abhärten, trainingsmethodisch nicht zu empfehlen aber ich wusste, dass ich damit in kurzer Zeit zu einem guten Fitnessstand komme. Kurz vor dem Termin konnten wir dann auch noch die Verpflegung für unterwegs über Radbegleitung und eine Verpflegungsstation auf dem Keulenberg sicherstellen. 8:30 Uhr am 31.10.2021 war es nun soweit.
Die Starttaste an der GPS Uhr wurde gedrückt und los ging es aus Dresden raus. Am Anfang macht man noch Scherze, dass man langsamer machen muss und wie locker noch alles ist. Da war die Welt noch in Ordnung aber man ahnte was vielleicht kommt. Mit geplant 5:00min/km sind wir gestartet und wollten schauen was dann passiert. Unser Kumpel John Heiland war zur Unterhaltung auch noch die ersten 19km mitgelaufen. Die Gespräche drehten sich um die möglichen Schmerzen die nächsten Tage, Erlebnisse der Saison und zukünftige Projekte. So entspannt wie alles war, vergingen die ersten knapp 30km fast wie im Flug. Meine Streckenplanung war verbesserungsfähig aber so lernte man Wege kennen, die man sonst wohl nie gelaufen wäre. Als es dann in den langen Anstieg zum Keulenberg ging, hieß es in sich hineinhören und die ersten Gedanken an eine mögliche Zielerreichung keimten. Oben angekommen wurden die Speicher etwas wieder aufgefüllt und sich nochmal frisch gemacht und zumindest ein frisches Shirt angezogen.
Dann ging es bergab und wieder Richtung Dresden. Die Marathon Marke kam und war schon bald vergessen. Der Blick ging nach vorn und die Laune war gut. Bei mir wurde es dann ab km50 schwierig. Leider hatte ich die Energieaufnahme sträflich vernachlässigt. Die Pace aber blieb weiter bei etwa 5:00-5:10. Trotz der kommenden Schmerzen in den Oberschenkeln und der Energielosigkeit eine große Motivation. Das Niveau und auch der Inhalt der Gespräche ging genauso wie die Energie immer weiter in den Keller. Dafür ging es besonders auf dem Rückweg nochmal durch einige schöne und abwechslungsreiche Trails, die die Konzentration hoch hielten und die Strecke abwechslungsreich gestaltete. Aber die verbleibenden Kilometer gingen ja auch immer weiter runter. Mit noch etwa 7/8km Restkilometern war Dresden erreicht. Jetzt war alles nur noch Kopfarbeit. Versuchen noch etwas Energie aufzunehmen und etwas zu trinken und Schritt für Schritt vorwärts. Trotz der gleichbleibenden Geschwindigkeit vergingen die Kilometer jetzt irgendwie langsamer. Dafür war man jetzt wieder in bekannten Gefilden und konnte das Ziel förmlich riechen. Die letzten Meter waren dann einfach schön. Man wusste man hat es geschafft und es kann eigentlich nichts mehr passieren. Endlich das drücken auf die Stop Taste und die Beine dürfen auch still halten.
Die Freude schwappt über, die Erleichterung aber auch die Erschöpfung. Eine Mischung wie man sie nur nach solch einer „Grenzerfahrung“ hat. Nachdem man kurz das erlebte nochmal besprochen und sich gegenseitig beglückwünscht hatte durfte man sich endlich hinsetzen. Die Freude, der Stolz und die tollen Erinnerungen bleiben, der Schmerz wird nach ein paar Tagen zum Glück wieder vergehen 😉
Sebastian Guhr