Unser Teammitglied Stefan “Flachy” Flachowsky berichtet von seinen ersten Erlebnissen im Ausdauersport. Wie ist er eigentlich zum Triathlon gekommen und was motiviert ihn im Sonnenaufgang Sport zu treiben? Motivation und pure Freude am Triathlonsport – viel Spaß beim Lesen.
1990 im Juni war’s, ich bin frisch aus der sich in Auflösung befindlichen Ost-Armee namens NVA entlassen worden und hatte mein Diamant-Rennrad für eine lange Radtour von Jena über Budweis-Wien-Bratislava-Hohe Tatra-Prag-Jena vorbereitet, als ich mir dachte, so eine Testfahrt vorab kann nicht schaden.
Also bin ich Samstag mit beladenem Stahlrad samt Schutzblechen und Lichtanlage nach Leipzig zum Kulki gedemmelt, habe mich dort für den Ausdauerdreikampf angemeldet, die Nacht vor dem Rennen mit meinem Schlafsack und zwei Dosen Holsten-Westbier im bereits aufgebauten Wechselzelt verbracht, um mich am Sonntag mit der letzten Startwelle der Olympischen Distanz in die Fluten zu stürzen.
Als gelernter Läufer und stolzer Nichtkrauler waren die Schwimmer seit jeher immer die Luschen, die einfach zu dick zum rennen waren und deshalb planlos im Wasser rumtrieben.
Daher sah meine „Renntaktik“ auch wie folgt aus:
30 Minuten für die 1.500 Meter – immerhin hatte ich zuvor im Schwimmbad mal 200 Meter volle Möhre probiert und war nach knapp 4 Minuten fertig. Die Rechnung war easy – 15 x 2 Minuten ergibt die Endzeit!
Der Start und die ersten 200 Meter gingen wie geschmiert, dann begann das Drama.
Glücklicherweise mußten wir am gegenüberliegenden Ufer an den Strand rennen und uns dort einen Einweckgummi um das Handgelenk binden, bevor es die identische Strecke zurück ging.
Meine Zeit am Ufer stand der Schwimmzeit in nix nach. Oh mein Gott, wo man überall Krämpfe bekommen kann, der Wahnsinn!
Um’s abzukürzen – als ich aus dem Wasser kam, standen von den 1.200 Rädern noch genau 5 Bikes in der Wechselzone. Doch statt mich sofort auf die wilde Hatz der vor mir liegenden 1.194 Athleten zu machen, mußte ich mich direkt an meinem Rad erst einmal komplett übergeben. Neben den Krämpfen kam auch noch die Seekrankheit und Schwindel dazu, der Ausflug zu den Triathleten drohte zum kompletten Fiasko zu werden.
„O.K. „dachte ich mir, „fährste einfach mal die Radstrecke durch und kannst beim finalen Zehner immer noch einen raushauen! 33 Minuten sind doch immer drin, selbst wenn du unterwegs mal eine Pinkelpause machst!“. Gesagt getan, das Rad nach den 40 Kilometern in den Ständer zurück gehängt, die Laufschuhe an und mit Vollgas auf die Jagd zu Fuß gemacht.
Ach du Scheixxxe, was ist denn jetzt verkehrt??? Da lief ja mal gar nix! Waren die Schnürsenkel gerissen oder hatte ich Löcher in den Sohlen? Der ästhetische Laufstil vergangener Jahre war hinüber, ich schleppte mich mehr humpelnd als schwebend über die Strecke, es war ein Kampf Not gegen Elend bis zur Finishline.
Und der finale K.O. folgte danach natürlich noch über die 100 Kilometer mit meinem Reiserennrad zurück nach Hause, bei denen ich wegen kompletter Ermattung gefühlt die Hälfte der Strecke das Rad schieben mußte und stundenlang vor mich hinmurmelte: „Was für ein Dreckssport – nie wieder!“
Ende des Sommers resümierte ich die Saison:
Läuferisch waren einige Superergebnisse dabei, der Trend ging weiter nach oben.
Schwimmen kann ich überhaupt nicht.
Vollgas radfahren kann ich mit meinen dünnen Läuferbeinen noch viel weniger.
Und rennen danach geht gar nicht!
Dazu die ganze Zeit mit einer engen Badehose und einem zu kurzen Muskelshirt rumhüppen, ständig Bananen futtern und dauernd nach besserem Material Ausschau halten.
Diese Typen sind einfach crazy!
Somit war das Ziel für die Zukunft klar: Ich will das auch, werde Triathlet und will nach Hawaii!
Mittlerweile war ich dort fünf Mal am Start, dazu bei über 30 weiteren Langdistanzen den Athletenlifestyle abgefeiert und freue mich jedes Jahr auf die Monate zwischen Mai bis September, wenn die Temperaturen milder und die Tage länger werden.
Was gibt es dann schöneres, als mit dem Sonnenaufgang in einen der lokalen Steinbrüche zu hechten, bei klarer Morgenluft mit dem Hund über die Trails zu ballern oder das Bike durch die noch schlaftrunkenen Rehe und Wildschweine in der Lausitzer Naturidylle zu steuern und mit der aufgehenden Sonne die ersten Runden zu drehen!
Besondere Höhepunkte sind dann die gelegentlichen Treffs mit anderen Bettflüchtern unseres Vereins wie Hannes, Carsten, Bernd oder auch Erik.
Dann gibt es meistens kurz nach 6 Uhr bei Kilometer 45 ein kurzes „On the Bike“-Athleten-Breakfast, meist in Form eines klebrig-süßen Energy-Gels in Aeroposition bei 40 km/h im Windschatten von Crazy Carsten, bevor die „lockeren Morgenrunden“ dann mit schöner Regelmäßigkeit in knallharte Privatrennen umdeklariert werden.
Wie ich den Typen dann jedes Mal hasse!!!
Die ganzen Perlen der Region – Bärwalder, Dreiweiberner oder Scheibe See – ich sehe dann zwei Stunden nur den schmalen Arsch meines Vordermannes vor meiner Nase, bekomme den hochgeschleuderten Staub auf meine Beine und könnte in diesen Momenten statt durch die Lausitzer Urlaubsidyllen auch genauso gut die Werksstraße vom BASF-Werk in Schwarzheide hoch und runter bollern!
Kurz bevor alles vorbei ist und wir uns trennen, versichern wir uns natürlich, wie megahammergeil es war und verabreden uns direkt für die nächste Woche, gleiche Stelle zum Sonnenaufgang erneut…
Und das Beste an diesen Wochenenden ist, dass wir dann fertig aber glücklich gegen 9 Uhr zu Hause am Frühstückstisch einschlagen und ohne Gewissensbisse in die dritte Semmel mit fingerdick Nutella bestrichen, beißen, weil wir ja seit 5 Uhr bereits ordentlich Kalorien verbrannt haben!
Es geht immer weiter – don’t stop training!